Ärztezeitung: Gesundheitsexperten kritisieren Corona-Politik scharf

Hochrangige deutsche Gesundheitsfachleute haben ein Papier mit 23 Thesen veröffentlicht, in dem die Maßnahmen der Regierung in Frage gestellt werden: Einfache Maßnahmen wie das Verbot von Großveranstaltungen hätten wahrscheinlich bereits ausgereicht, um auf den aktuellen Stand der Epidemie zu kommen. Die „typische Infektionskrankheit“ COVID-19 stelle keinen Anlass dafür dar, in „quasi metaphysischer Überhöhung alle Regeln, alles Gemeinsame, alles Soziale in Frage zu stellen oder sogar außer Kraft zu setzen“

Die Autoren des schon im April veröffentlichten, und nun aktualisierten Thesenpapiers sind die beiden früheren „Gesundheitsweisen“ Professor Matthias Schrappe und Professor Gerd Glaeske, der ehemalige Vorsitzende des Expertenbeirats des Innovationsfonds Professor Holger Pfaff, die ehemalige Pflegedirektorin der Charité und Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit Hedwig François-Kettner, weiters Franz Knieps, Vorsitzender des Berufskrankenkassen-Dachverbandes und der Pathologe Professor Klaus Püschel.

Die wesentlichen Kritikpunkte: die schlechte Qualität der Datenbasis, auf Grund derer die Regierung weitreichende Entscheidungen getroffen hat. Die täglich gemeldeten NeuInfektionen seinen wenig aussagekräftig, wenn nicht gleichzeitig die Anzahl der Getesteten bekannt gemacht würde, und die hohe Dunkelziffer von symptomlos Infizierten (bis zu 80%) führe zu einer überhöhten Berechnung der COVID-19-Sterblichkeit. Auch die als Begründung für den Shutdown angeführe sogenannte Reproduktionszahl lag bereits seit dem 23. März unter dem Wert 1, und deutete somit schon damals ein Abklingen der Epidemie an. Es gebe deutliche Anhaltspunkte, dass einfache Maßnahmen wie das Verbot von Großveranstaltungen bereits ausgereicht hätten, um auf den aktuellen Stand der Epidemie zu kommen.

Sinnvolle Maßnahmen zur Prävention: Die Hauptinfektionsherde seien derzeit Pflege- und Betreuungseinrichtungen sowie Krankenhäuser. Das Ansteckungsrisiko durch individuelle Kontakte und Aufenthalt in Risikogebieten nehme ab. Die Eindämmung der Krankheit ließe sich besser durch die Trennung der Betreuungs- und Behandlungsprozesse von Infizierten und Nicht-Infizierten sicherstellen, ergänzt durch eine Hochrisiko-Task-Force für spontan entstehende Infektionsherde.

Es stelle sich die Frage,ob die Alltagsbeschränkungen und Hinunterfahren der Wirtschaft überhaupt etwas gebracht hätten. Die häufig als Begründung dafür angeführte Reproduktionszahl lag laut Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) bereits seit vor dem 23. März unter dem Wert 1, und deutete somit schon damals ein Abklingen der Epidemie an. Es gebe deutliche Anhaltspunkte, dass einfache Maßnahmen wie das Verbot von Großveranstaltungen bereits ausgereicht hätten, um auf den aktuellen Stand der Epidemie zu kommen.

Gefährliches Paradox der sozialen Distanzierung: Diese Präventionsmaßnahmen seien in ihrer Wirksamkeit einerseits zweifelhaft, aber auch mit einem gefährlichen Paradox verbunden: je besser sie funktionieen, umso effizienter würden Erkrankungen einfach in die Zukunft aufgeschoben – die Gefahr der „zweiten Welle“. Diesen fragwürdigen Maßnahmen gegenüber stehen die enormen gesellschaftlichen Kollateralschäden.

Die Autoren schlagen vor, statt der Quarantänierung der gesamten Gesellschaft gezielt die vier Risikogruppen zu schützen: Hochbetagte, Immungeschwächte, Ärzte, Pflegekräfte sowie lokale Cluster.

Sollte es irgendwann einen Impfstoff geben, könne es allein vom Arbeitsaufwand bis zu vier Jahre dauern, bis die Bevölkerung durchgeimpft wäre – 60.000 Impfungen pro Arbeitstag, zusätzlich zu dem ohnehin schon belasteten Kapazitäten des Gesundheitssystems.

Die „typische Infektionskrankheit“ COVID-19 stelle keinen Anlass dafür dar, in „quasi metaphysischer Überhöhung alle Regeln, alles Gemeinsame, alles Soziale in Frage zu stellen oder sogar außer Kraft zu setzen“.

Quelle: Deutsche Ärztezeitung Artikel vom 4.Mai 2020 und vom 4 April 2020


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Mai 15, 2020 Kategorie: Allgemein Erstellt von: Celine